„Die deutsche Gesellschaft in der Krise!?“ – Podiumsdiskussion vom 31.5.2024 (Gastartikel von Eric Blum)

Wie weit ist es noch zum Eimer Viehmist?

Das Forum Romanum war gefüllt mit einem wütenden Mob, als Marcus Calpurnius Bibulus, einer der Konsuln des Jahres 57 v. Chr., auf den Mittelpunkt der Römischen Republik stürmte, um ein Gesetzesvorhaben seines Mitkonsuln Gaius Julius Caesar aufzuhalten. Weit kam er allerdings nicht, da auf Befehl Caesars ein Schlägertrupp Bibulus, dem durch das höchste Amt in der Republik die zivile und militärische Verwaltung des Riesenreiches oblag, zuerst einen Eimer Viehmist über den Kopf schüttete und ihn dann mit Schlägen und Tritten vom Forum verjagte. Auch wenn uns heute über 2000 Jahre von den Römern trennen, drängen sich durch die Angriffe auf Politiker wie Matthias Ecke (SPD) oder Roderich Kiesewetter (CDU) verstärkt Parallelen auf. Diese Auffassung einer zunehmenden Radikalität und Polarisierung in der deutschen Gesellschaft teilt circa 80 % der Schülerschaft. Höchste Zeit also für eine weitere Podiumsdiskussion, die sich dieser Frage stellt. 

Eingeladen waren dieses Mal Johanna Brauer (Die Linke), Dirk Ulrich Mende (SPD), Evrim Camuz (Die Grünen), Anja Schulz (FDP), Jan Hägerling (CDU) und Jens Brockmann (AfD), die sich zuerst zu der Frage positionieren mussten, ob sie die Gesellschaft als gespalten empfinden. Schnell kristallisierte sich der Konsens heraus, dass zwar eine klare Spaltung nicht vorhanden sei, aber der Diskurs dennoch deutlich intensiver geworden sei. 

Ursachen dafür lägen unter anderem in sozialen Kürzungen und den schwierigeren finanziellen Bedingungen für viele. Vor allem Frau Brauer (Die Linke) sieht ungleiche Vermögensverhältnisse und den daraus resultierenden ungleichen Einfluss auf die Politik als Gefahr. Daraufhin argumentierte Frau Camuz (Die Grünen) am Beispiel ihrer Partei, dass Parteispenden auch förderlich sein könnten und auch Herr Hägerling (CDU) sieht die Demokratie hauptsächlich durch fehlende Partizipation der Bürger gefährdet. Als weitere Ursachen für die Spaltung wurden nach diesem Streitpunkt über ungleiche Vermögensverhältnisse auch Soziale Medien angeführt, die die Kluft vergrößern, indem sie durch „Bubbles“ ihren Nutzern immer emotionalere und radikalere Beiträge zuführen würden. Dass die AfD für solche Beiträge mitverantwortlich sei, wies Herr Brockmann (AfD) zurück und sagte, dass seine Partei lediglich über Landtagsreden informiere, verurteilte allerdings persönliche Angriffe auf andere Politiker seitens seiner Partei. Daraufhin wurde der Fokus von Herrn Mende (SPD) auf die multiplen Krisen als Ursachen gelenkt und die Unsicherheiten der Deutschen im Angesicht dieser zahlreichen Aufgaben. 

Auf die Gefahren, die sich aus einem Riss ergäben, hatte bereits die Schülerschaft nachgedacht und Begriffe, wie „Extremismus“ oder „Hetze“, gesammelt. Diese Einschätzung wurde weitestgehend von den Politikern geteilt, aber darüber hinaus wurde noch die Radikalisierung der Sprache und die zunehmende Extremisierung der AfD hinzugefügt. 

In der folgenden Fragerunde wurde unter anderem auf den Punkt der Sozialen Medien eingegangen und ob Tiktok verboten werden sollte. Da sich dieses soziale Medium unter starkem chinesischem Einfluss befinde und forciert zu „Bubbles“ führe, forderte Anja Schulz (FDP) eine intensivere Debatte, ob Tiktok verboten werden sollte. Dieser Einschätzung widersprach nur Herr Brockmann (AfD), der Tiktok nicht verbieten würde. 

Nachdem in der Debatte durch die Politiker und in der Umfrage durch die Schüler festgestellt wurde, dass Handlungsbedarf bei der Stärkung des Zusammenhalts bestehe, wurde noch abschließend um konkrete Maßnahmen gefragt. Dafür möchte Herr Mende (SPD) den Kontakt zwischen Politikern und Menschen enger machen, Frau Camuz (Die Grünen) den Fokus auf die Jugend lenken, Frau Schulz (FDP) stabile Finanzen für die folgenden Generationen hinterlassen, Herr Hägerling (CDU) die ehrenamtliche Arbeit verstärken und Herr Brockmann (AfD) eine positive Zukunftsvision mit fiskalischen Maßnahmen in der Bevölkerung erzeugen. 

Insgesamt konnte die Podiumsdiskussion auf das Thema aufmerksam machen und vielen Meldungen, die man in den Nachrichten hört, wie Angriffe auf Politiker oder Proteste gegen Israel an Universitäten, einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen geben, in dem durch gute Moderation das schwer greifbare Thema der Spaltung mit den Politikern gemeinsam auf den Grad, die Gefahren und Maßnahmen dagegen untersucht wurde. Eventuell hätte die Debatte allerdings an Hauptpunkten mehr Schärfe haben können, zum Beispiel darin, ob überhaupt eine Spaltung besteht und es hätte stärker definitorisch zwischen dem Zustand der „Spaltung“ und dem Vorgang der „Spaltung“ differenziert werden. Nichtsdestotrotz blieben zumindest bei mir die Worte von Herrn Mende (SPD) besonders hängen, in denen er mit Bezug auf andere Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik die Resilienz und Fähigkeit der deutschen Gesellschaft, Krisen zu lösen, unterstrich. In diesem Sinne sind wir im Moment zwar ziemlich nahe am Eimer mit Viehmist, aber mit Rückbesinnung auf unsere demokratischen Werte sind wir in der Lage dazu, uns von diesem Eimer mit Viehmist zu entfernen. 

von Fortmüller

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