Bergen-Belsen – Gedenkstätte und riesiger Friedhof zugleich

An unserer Schule machen die Zehntklässler im Rahmen des Geschichtsunterrichts Exkursionen nach Bergen-Belsen, um die Gedenkstätte für das ehemalige Konzentrationslager zu besuchen. Kürzlich waren die 10b und die 10c zur Besichtigung vor Ort. Aufgrund von Corona durften wir zwar nicht die Innenaustellung besuchen, dafür hatten wir aber einen geführten Rundgang auf dem Außengelände. 

Morgens mussten wir uns alle auf Corona testen, egal welcher Impfstatus. Zudem haben wir alle eine FFP2-Maske getragen. Als Lehrkräfte waren Frau Groppe und Frau Bohlen dabei. In kleineren Gruppen bekamen wir jeweils einen eigenen „Tourguide“. In der Gedenkstätte wird dieser Begriff verwendet, um „Führer“ zu vermeiden. Vom Tourguide erfuhren wir viel zum geschichtlichen Hintergrund.

Historischer Hintergrund

Ab 1940 war Bergen-Belsen erstmals als Kriegsgefangenenlager in Gebrauch. Dort waren französische, belgische sowie sowjetische Soldaten inhaftiert. Die Lebensumstände waren sehr schlecht, da es nicht genügend Baracken gab, um alle unterzubringen. Essen gab es nicht genug und die sowjetischen Soldaten mussten mehrere Monate draußen in der Kälte leben. Um sich vor dem Wetter zu schützen, gruben sie sich auf dem freien Feld Erdhöhlen und bauten sich Laubhütten.  

Ab April 1943 wurde ein Teil des Lagers von der SS als Austauschlager genutzt. Jüdische Häftlinge sollten gegen deutsche Staatsbürger, die beispielsweise im Ausland gefangen gehalten wurden, ausgetauscht werden. Dadurch wurden die dort gefangenen jüdischen Familien meist zusammen untergebracht, was eher ungewöhnlich war. Normalerweise wurden Familien in Konzentrationslagern und Arbeitserziehungslagern getrennt. Für Tausende war es dennoch auch eine Durchgangsstation in ein Vernichtungslager.

Später wurden Kranke und Arbeitsunfähige aus anderen Konzentrationslagern nach Bergen-Belsen gebracht. Ab Dezember 1944 wurden weitere zehntausende Häftlinge aus frontnahen Konzentrationslagern in das KZ Bergen-Belsen verlegt. Bis zur Befreiung des Lagers durch britische Truppen am 15. April 1945 starben in Bergen-Belsen mindestens 52.000 Häftlinge schon allein aufgrund der Haftbedingungen.

Während des Aufenthalts in Bergen-Belsen starben die meisten Häftlinge an Krankheiten und Erschöpfung. Die Menschen mussten bis an die völlige Erschöpfung arbeiten und wurden für alles Mögliche bestraft. In den letzten Monaten musste ein Großteil durchgehend im Freien leben, es gab nicht genügend Essen und Trinken. Das Essen bestand hauptsächlich aus Brot und sehr dünner Steckrübensuppe. Man musste um sein Essen kämpfen, jeder war auf sich gestellt und gerade als Kind oder Jugendlicher konnte man schnell übergangen werden. 

Im April 1945 wurden die Gefangenen, die noch lebten, von britischen Truppen befreit. Einige Tage vor der Befreiung war die Wasserversorgung des Lagers zusammengebrochen, doch die Häftlinge durften nicht auf die Wasserbecken im Lager zugreifen. Wenn sie sich diesen näherten, wurden sie zur Strafe misshandelt oder ermordet. 

Da die Menge an Leichen überhandgenommen hatte, wurden sie an Ort und Stelle liegen gelassen. Um Beweise vor Ankunft der britischen Truppen zu vernichten, verbrannten die Nazis fast alle Dokumente über Inhaftierte oder Berichte über das Geschehene. Zusätzlich gruben sie riesige Massengräber, in denen bis zu 2500 Verstorbene Platz fanden. 

Nach der Befreiung wurden die Holzbaracken, Toilettenhäuser, etc. niedergebrannt und die Massen an Leichen, welche die Nazis nicht mehr verstecken konnten, in Massengräbern begraben, wobei in einem Fall sogar ein Radlader zum Einsatz kam, um der Menge an Leichen beizukommen. Dies alles diente zur Prävention vor Seuchen.

Überlebende wurden in Notunterkünfte und dürftig errichtete Krankenhäuser in der nahegelegenen Wehrmachtskaserneuntergebracht. Dort verbrachten sie einige Monate, um wieder auf die Beine zu kommen, und vielen wurde geholfen, ihr Zuhause und ihre Familie zu finden.

Insgesamt starben von 1940 bis 1945 mehr als 71.700 Menschen durch die unmittelbaren Folgen der Haft. 

Leider hatten die Nationalsozialisten fast alle noch vorhandenen Dokumente über Geschehnisse und Personenregister verbrannt, weshalb es fast unmöglich ist, zu sagen, wer genau dort gefangen gehalten und ermordet wurde.

Eigenes Erleben

Schon auf der Hinfahrt beim Durchqueren einiger Dörfer merkte man, wie die Stimmung im Bus leicht kippte. Zwar war niemand direkt traurig oder betrübt, aber je dichter wir dem Ziel kamen, umso ernster oder angespannter wurden manche. Als wir ausgestiegen waren, kam uns das Gelände noch gar nicht so groß vor. Erst als wir losgegangen waren, wurden uns die Ausmaße dieses KZs bewusst. Man kann sich kaum vorstellen, was dort passiert ist. Es ist irgendwie surreal. Zwar wissen wir von den Geschichten, die sich dort abgespielt haben und uns wurde auch viel darüber erzählt, aber man kann sich das einfach nicht vorstellen. Auch wenn die Stimmung zu keinem Punkt total traurig war, konnte man merken, dass viele geplättet waren. Dadurch, dass wir im Winter gefahren sind, passte das Wetter gut zur Stimmung. Frau Groppe hatte uns vorher erklärt, dass sie den Winter für solche Fahrten bevorzugt, da die Vorstellung, bei strahlender Sonne und mit kurzen Hosen, bunten T-Shirts und Kleidern auf dem Gelände herumzugehen, absurd sei.

Wir lernten vom Guide, dass Wahrnehmungen von Besuchern sehr unterschiedlich sein können. Da direkt an die Gedenkstätte ein Truppenübungsplatz der Nato angrenzt, konnte man zwischendurch das laute Knallen der Detonationen hören. Unser Tourguide hat uns erzählt, dass sich mal eine Gruppe Touristen vor Schreck auf den Boden geworfen hat, da die Leute dachten, sie stünden unter Beschuss. Ein anderes Mal war sie mit einer ehemaligen Gefangenen unterwegs und für diese waren die Detonationsgeräusche das Geräusch der Befreiung und der Rettung, sodass sich die Frau sehr darüber freute.

Als wir zu den Massengräbern und dem jüdischen Denkmal gingen, ist uns etwas Besonderes aufgefallen: Auf den Gedenksteinen, welche dort zur Erinnerung an einige Verstorbene stehen, lagen kleine Steine. Diese Steine waren auch auf einigen der Massengräbern. Es entspricht einem jüdischen Brauch, kleine Steine auf die Grabsteine zu legen, um die Toten zu ehren und als Zeichen für spätere Besucher, dass die Toten nicht vergessen sind. Die Gedenksteine sind keine Grabsteine, da man bei manchen nur weiß, dass sie in Bergen-Belsen gestorben sind, aber nicht wo, und wenn liegen sie höchstwahrscheinlich in einem der vielen Massengräbern. Die Gedenksteine sehen aus wie Grabsteine, tragen einen oder mehrere Namen und meistens auch noch einen kleinen Spruch. Der Stein, der uns allen vermutlich als Erstes ins Auge fiel, war der von Margot und Anne Frank – nicht nur wegen der bekannten Namen, sondern auch, weil auf ihm sehr viele Steinchen balancierten und rund um ihn herum viele bunte Blumensträuße und ein paar kleine Dekorationsornamente platziert waren. Als wir zum Schluss an den Massengräbern vorbeigingen, war deren Größe unfassbar. Von einem Ende bis zum nächsten mindestens 50m, bestimmt etwas mehr als 1m hoch und bestimmt 10-20m breit. Es ist unbekannt, wie tief in den Boden die Gräber gegraben wurden. 

Die Rückfahrt war merklich ruhiger, da alle erstmal die vielen Eindrücke verarbeiten mussten. Es war zwar ein anstrengender Ausflug, aber er hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Tipp

Heutzutage kann jeder das Gelände betreten und besichtigen. Zusätzlich kann man einen Tourguide buchen, der einem das Gelände zeigt und geschichtliche Hintergründe und Zusammenhänge erklärt. Es gibt eine Innenausstellung mit Gegenständen, welche aus der Lager-Zeit zurückgeblieben sind, und einen dokumentarischen Film. Wer sich selbst über das KZ informieren möchte, dem empfehle ich sehr, einmal dorthin zu fahren und sich umzusehen. 

Text und Fotos: Clarissa Wellnitz

von Clarissa Wellnitz

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