Podiumsdiskussion mit Mitgliedern des Bundes- und Landtages
Am Freitag, den 02.06.2023, fand am Immanuel-Kant-Gymnasium in Lachendorf auf Einladung des Schülerrates eine Podiumsdiskussion zur Leitfrage: “Warum unsere Demokratie?“ statt. Stellvertretend für alle im Bundestag vertretenen Fraktionen waren Landtagskandidatinnen Manuela Mast (Die Linke) und Johanne Gerlach (Bündnis 90/Die Grünen), MdL Jörn Schepelmann (CDU) und MdL Jens Christoph Brockmann (AfD), MdB Anja Schulz (FDP) und MdB sowie Ex-Oberbürgermeister der Stadt Celle Dirk-Ulrich Mende (SPD) anwesend. Moderiert wurde die Veranstaltung von Paula Schwolow, Viertplatzierte bei „Jugend debattiert“ auf Landesebene und Lennon Sommer, Mitglied des Schülerrates am IKG Lachendorf. Für die Schule war diese Veranstaltung, an der über 200 Schülerrinnen und Schüler der Jahrgänge 10, 11 und 12 teilnahmen, in diesem Format und in dieser Größenordnung eine Premiere.
Durch den Schulleiter Jörg Mollenhauer und eine kurze Vorstellungsrunde der Gäste eröffnet, wurde die Leitfrage von den insgesamt sehr souverän agierenden Moderierenden mittels einer schulinternen Umfrage direkt ins Zentrum der Diskussion gerückt. 93% der Befragten am IKG sehen die Demokratie zwar als beste aller Staatsformen, dennoch haben 86% das Gefühl, die Politik und wichtige Entscheidungen kaum beeinflussen zu können. Die PolitikerInnen freuten sich über die hohen Zustimmungswerte zur Demokratie und verwiesen zugleich auf kommunale Möglichkeiten der Mitwirkung. Frau Gerlach stellte das Konzept des Jugendrates mit eigenem Budget und diversen Mitsprache- und Gestaltungsrechten vor. Aus Sicht von Frau Mast sei vor allem das Mittel des Protestes und die engagierte Mitwirkung in Verbänden ein effektives Mittel, um politischen Druck aufzubauen und Entscheidungen zu beeinflussen. Frau Schulz war zudem davon überzeugt, dass das Wahlalter auch auf Bundesebene auf 16 Jahre heruntergesetzt werden sollte.
Auf die von P. Schwolow nachfassende Frage, ob die repräsentative Demokratie dennoch überholt sei, plädierte Herr Brockmann für mehr Volksabstimmungen. Dies traf bei allen anderen VertreterInnen auf Ablehnung, da diese insbesondere medial äußerst manipulierbar seien und die WählerInnen weder die Zeit noch die Möglichkeit hätten, sich in hoch komplexe Sachverhalte hineinzuarbeiten. Herr Mende gab zu, dass direktdemokratische Elemente ihren eigenen Reiz hätten. Als hauptberufliche PolitikerInnen könne man jedoch die Stimmen aller Verbände, WissenschaftlerInnen und ExpertInnen hören, um daraufhin zu einer abgewogenen und gesamtgesellschaftlich tragfähigen Entscheidung zu kommen. Frau Schulz verwies als Negativbeispiel auf die Brexit-Abstimmung in Großbritannien, dessen Tragweite vermutlich nicht für allen Abstimmenden vollumfänglich bewusst gewesen sei und der nun massive negative Konsequenzen für die Wirtschaft und Gesellschaft habe. Lennon Sommer versuchte die PolitikerInnen aus ihrer Reserve zu locken und fragte, ob der „Durchschnittsbürger“ nicht mündig sei, wichtige politische Entscheidungen zu treffen. Herr Mende wies die suggerierte Unterstellung des unmündigen Bürgers von sich und problematisierte, dass bei direktdemokratischen Abstimmungen keinesfalls alle BürgerInnen gehört würden. Lediglich diejenigen, die sich an diesen Abstimmungen beteiligten, würden die Entscheidung mit gegebenenfalls massiven Auswirkungen auf Deutschland beeinflussen. Die Gefahr, dass Minderheiten dann übergangen würden, sei noch höher. Frau Gerlach ergänzte, dass die Politik in Folge des Abwägungsprozesses kaum eine Entscheidung treffen könne, die für alle BundesbürgerInnen richtig sei. Dazu habe die WählerInnen alle vier Jahre die Chance, die Zufriedenheit mit der politischen Arbeit zu bewerten, ein Umdenken zu fordern und so die politischen Entscheidungen zu beeinflussen.
Sichtlich gut vorbereitet präsentierten P. Schwolow und L. Sommer eine aus der Umfrage erstellte Wortwolke mit Schlagworten, die die Schülerinnen und Schüler des 10.-12. Jahrgangs als besonders demokratiegefährdend empfanden. Die PolitikerInnen suchten sich vor allem die Begriffe „Extremismus“ und „soziale Ungerechtigkeit“ aus und begründeten dies. Einer der von den SchülerInnen häufig genannte Begriff war zudem „AfD“. Auf Nachfrage, warum Herr Brockmann das Auflisten des eigenen Parteinamens nicht kommentierte, antwortete er, dass er erstaunt sei, welch eine Relevanz seiner Partei zugeschrieben werde. Er betonte zugleich, dass die AfD eine demokratische Partei sei, die zum einen Teil des Systems und zum anderen pro Demokratie sei. Darüber hinaus problematisierte Manuela Mast mehrfach, dass Fake News und NichtwählerInnen das Ergebnis von Wahlen immer stärker negativ beeinflussen würden.
Das Moderationsteam leitete professionell zum Umgang mit extremistischen Strömungen innerhalb der eigenen Partei über. Die PolitikerInnen aller Parteien beschrieben, dass es gar nicht so leicht sei, Fehlverhalten nachzuweisen. Zudem sei das Parteiausschlussverfahren gemäß Parteiengesetz äußerst komplex. Auf die Nachfrage, wie die AfD mit der Hochstufung der „Jungen Alternativen“ als „gesichert rechtsextremistisch“ umgehe, verwies Brockmann ebenfalls auf die hohen Hürden des Ausschlussverfahrens und distanzierte sich von Rechtsextremismus. Zugleich gab er zu bedenken, dass der Begriff „Extremismus“ in manchen Debatten nicht korrekt gebraucht werde und die Einschätzung, ob etwas extremistisch oder rechtsradikal sei, von dem jeweiligen Begriffsverständnis abhänge.
Zum Ende blieb noch Zeit für zwei Publikumsfragen. Ein Schüler fragte die AfD, wie diese damit umgehe, dass rund 70% der WählerInnen die AfD allein aus Protest wählen. Eine Schülerin fragte im Anschluss Herrn Schepelmann, wie es von Jugendlichen aufgefasst werden solle, dass sie sich politisch äußern dürfen und das Recht haben, ihre Meinung auf der Straße zu vertreten, aber zugleich durch Unverständnis gestraft werden. Er erklärte, dass Jugendliche ihre Meinung vertreten sollen, aber es rechtlich nicht in Ordnung sei, Schule zu verpassen. Er betonte, dass beispielsweise die Fridays-For-Future-Bewegung die Klimapolitik und Gesetzesentscheidungen entscheidend beeinflusst hätte, er den Weg des Schulstreiks allerdings als den Falschen sehe.
Neunzig Minuten Podiumsdiskussion, professionell begleitet durch die Technik-AG der Schule und hervorragend vorbereitet, endeten mit einem anhaltenden und lauten Applaus. Die 200 SchülerInnen erlebten eine hochinteressante, kontrovers gestaltete, ergiebige Podiumsdiskussion und konnten sich selbst ihre politische Meinung bilden. Im Nachgespräch betonten die VertreterInnen aller Parteien, dass diese Veranstaltung gerne jährlich am IKG etabliert werden solle. Mit dieser Premiere ist dem IKG die Stärkung der Demokratie und die Auseinandersetzung mit dieser gelungen!
Foto: Jette Weber
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