Kolumbien – Doch nicht so voll von Drogen?
Eine Menge Menschen haben, wenn sie an Kolumbien denken, sofort Drogen oder die Mafia im Sinn. Den Menschen geht es dort schlecht, es herrscht kaum eine richtige Schulbildung und Schießereien gehören dort doch wohl zum Tagesplan. Aber ist es wirklich so? Luca Maria Grote, eine ehemalige Schülerin des Immanuel-Kant-Gymnasiums, macht gerade ein freiwilliges soziales Jahr (kurz: fsJ) in Kolumbien und zeigt uns mit ihrem Blog, in dem sie uns über ihren Alltag am Laufen hält, ein ganz anderes Gesicht von dem doch so verruchtem Land. Sie ist nun schon seit ein paar Monaten in Tunja bei einer Gastfamilie untergekommen und arbeitet in einer ortsansässigen Schule als eine Art Lehrerassistent, wobei sie vor allem in Englisch aushilft, besonders bei der Aussprache. Ich habe mit ihr nun per E-Mail ein kleines Interview über ihr Projekt und Kolumbien geführt, das ich euch an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte.
Schülerzeitung: Wie genau bist du auf die Organisation (Volunta) gekommen, die deinen Aufenthalt ermöglicht hat?
Luca: Der Sohn der Partnerin meines Vaters hat 2015/16 ein Jahr mit Volunta in Namibia verbracht. Er war rundum zufrieden mit der Organisation und so habe ich mich, ohne mich wirklich weiter zu informieren, auf gut Glück auch dort beworben, auch wenn ich erst dachte, dass ich kaum Chancen hatte, da ich kaum Arbeitserfahrung und auch keine Flexibilität bezüglich der Einsatzstelle mitbrachte – ich wollte von Anfang an nur nach Kolumbien und in die Stadt.
Schülerzeitung: Bereust du es, nach Kolumbien gegangen zu sein?
Luca: Nein, für mich stand schon seit Jahren fest, nach dem Abi ein Jahr in Lateinamerika zu verbringen, und ich bin mir mittlerweile sicher, dass dies die bis jetzt beste Entscheidung meines Lebens war.
Schülerzeitung: Hattest du auch schon mal Begegnungen mit Kolumbianern, die dir gegenüber ausländerfeindlich waren?
Luca: Nein – im Gegenteil, die Kolumbianer sind bekannt dafür, außerordentlich offen und gastfreundlich zu sein, was ich nur bestätigen kann. Ich habe mittlerweile Freunde im ganzen Land verteilt und alle freuen sich immer sehr, wenn ich für ein paar Tage zu Besuch komme und sie einer Deutschen ihr Land und ihre Kultur zeigen können sowie mehr über uns erfahren. Außerdem stehe ich, egal wo ich gerade bin, durch mein andersartiges Aussehen im Mittelpunkt und werde fast täglich von Fremden auf meine Herkunft angesprochen oder mir werden Komplimente gemacht. Eigentlich nervt es sogar schon manchmal, neulich ist mir ein Mann sogar hinterhergelaufen und hat mir „Ey schöne Frau, geh nicht weg, du bist so wunderschön!“ hinterhergerufen, als ich dann schnell um die Ecke gebogen bin. Wenn mir so was an einem anstrengenden Tag passiert, wünsche ich mir schon manchmal, einfach unauffällig durch die Stadt laufen zu können und meine Ruhe zu haben. Das ist aber etwas, auf das man sich einfach einstellen muss.
Schülerzeitung: Wie verhalten sich die Klassen, bei denen du assistierst, dir gegenüber?
Luca: Grundsätzlich sind die Kinder bei mir etwas aufmerksamer und hören auch eher auf meine Worte als auf die des Lehrers, da ich einfach als Deutsche spannender für sie bin. Das kommt allerdings ganz auf ihre Tagesform an.
Schülerzeitung: War es am Anfang schwer, die ganze Zeit fließend Spanisch zu sprechen? Gab es auch schon Situationen, in denen du durch deine Sprachlücken ein unangenehmes Erlebnis hattest?
Luca: Ich habe den entscheidenden Vorteil, dass ich letztes Jahr schon zwei Monate in Kolumbien verbracht habe und während dieser Zeit mein „Alltagsspanisch“ verbessern konnte. Außerdem war ich in der Schule immer ein kleiner „Spanisch-Streber“, hatte also schon ein ganz gutes Vokabel- und Grammatikwissen, bin aber trotzdem noch weit entfernt vom fehlerlosen Sprechen. So kam es, dass ich mal in einem Gespräch mit meinem Gastbruder über meinen Direktor gesagt habe, dass er ein „hombre muy bueno“ (dt. „ein sehr guter Mann“) ist. Das bedeutet hier nur leider so viel, wie dass er ein sexy Mann ist und dass ich ihn attraktiv finde. Mein Bruder lag also vor lauter Lachen fast auf dem Boden.
Schülerzeitung: Gibt es in Kolumbien bestimmte Ausdrücke oder Sprichwörter, die neu für dich waren und du gut fandest?
Luca: Oh ja, davon gibt es einige. Mein Lieblingssprichwort ist „No dar papaya“ (dt. „Gebe nicht die Papaya“), das sich auf die Sicherheit hier in Kolumbien bezieht. Nicht die Papaya zu geben bedeutet, dass man seine Wertgegenstände nicht in der Öffentlichkeit präsentieren und sich so zur Zielscheibe für kriminelle Übergriffe machen sollte – das Iphone in großen Städten oder in der Dunkelheit also lieber in der Tasche lassen, genauso wie die dicke Spiegelreflexkamera.
Schülerzeitung: Gibt es etwas in Kolumbien, was du in Deutschland auch gerne hättest / einführen würdest, oder umgekehrt?
Luca: In Deutschland hätte ich gerne, dass der Busfahrer auch genau dort hält, wo man aussteigen will. Erst war es zwar ein wenig befremdlich, immer „Hier bitte!“ zu brüllen, wenn man aussteigen will, aber die Gemütlichkeit siegt schließlich. In Kolumbien würde ich mich gerne in Sachen Pünktlichkeit genauso auf die Kolumbianer verlassen können wie auf die Deutschen, und es ist ganz schön lästig, dass es auf keiner öffentlichen Toilette Klopapier gibt und man so immer sein eigenes mitbringen muss.
Schülerzeitung: Wie stehst du zu den vielen Vorurteilen, die es über Kolumbien gibt?
Luca: Ich stehe diesen sehr kritisch gegenüber, da sie einfach nur unfair gegenüber den Kolumbianern sind, die darunter zu leiden, in der Mehrzahl aber nichts damit zu tun haben. Für viele Deutsche ist Kolumbien noch immer das Land der Drogen und des Krieges, was ja auch mal stimmte. Allerdings verbessert sich die Situation seit ca. 10 Jahren stetig und die Regierung unternimmt große Anstrengungen, damit das auch so bleibt. Die Drogenindustrie besteht zwar immer noch, von dieser bekommt man als normaler Bürger aber kaum noch etwas mit.
Schülerzeitung: Und zum Schluss, würdest du anderen Jugendlichen empfehlen, auch für ein freiwilliges soziales Jahr ins Ausland zu gehen?
Luca: Definitiv! Ich bin noch gar nicht so lange hier und merke schon, wie sehr ich mich verändere. Ich bin offener anderen Menschen gegenüber und viel entspannter in neuen Situationen, außerdem werde ich natürlich unabhängiger von meinen Eltern und insgesamt erwachsener. Mein Motto ist: „Say yes to new adventures“, da hier momentan jeder Tag wie ein kleines Abenteuer ist – und ich kann nur jedem Schüler raten, sich das auch zu Herzen zu nehmen. Bleibt offen für neue Erfahrungen und traut euch, den Schritt, alleine ins Ausland zu gehen, zu wagen; denn außerhalb eurer Komfortzone könnt ihr für eure Persönlichkeitsbildung nur gewinnen.
Als Fazit können wir also sehen, dass Kolumbien doch nicht so schrecklich ist, wie viele vielleicht denken, sondern vielmehr ein wunderschönes Land mit einer spannenden Kultur, die es wert ist, erforscht zu werden. Also, falls ihr für die Sommerferien noch nichts geplant habt, wie wäre es dann damit? Dann könnt ihr euch ja selbst ein Urteil über dieses Land bilden, denn man sollte nie blind Vorurteilen vertrauen. Von mir war‘s das jetzt, falls ihr aber noch mehr über das Leben in Kolumbien erfahren wollt, dann schaut doch einfach mal auf Lucas Blog vorbei, er ermöglicht einem einen noch genaueren Einblick in das alltägliche Leben in Kolumbien und zaubert beim Lesen immer ein Lächeln auf die Lippen.
Link zu Lucas Blog: https://colombiatierraqueridablog.wordpress.com/
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